Archiv für den Monat: Juli 2017

Q belebt Quartier, Spielbericht

Was wäre, wenn wir neben Franken noch eine zweite, lokale Währung im Portemonnaie mit uns führen würden? Die Quartierwährungs-Simulation ermutigt geradewegs dazu. Ein Bericht vom Spiel am 8. April 2017 in der Genossenschaft Karthago, Zürich.

Text: Fred Frohofer

Gudruns Bioladen läuft gut. Ihre Angebote sind auf Kärtchen geschrieben. Wer etwas kauft, kriegt eine blaue Quittung. Und Gudrun kassiert dafür farbige Q-Noten ein. Mit ihren Q‘s – der Quartierwährung – ersteht sie sich etwa Angebote wie Konfitüre oder Kräutertees von Produzenten im Quartier. Und die Alleinerziehende kann sich damit etwa einen KiTa-Platz für ihr Kind leisten.

KiTa-Angebote gibts gleich drei. «Ein Skandal, diese Preisgestaltung», moniert jemand anonym über die «Hybrid Letterbox»: Die KiTa von Tamara und Gustav koste 20 Q die Stunde, der Blumenladen biete dagegen eine Betreuungsstunde für 3 Q an, da könne doch etwas nicht stimmen. Der Skandal verbreitet sich rasch im ganzen Quartier, denn die Letterbox schluckt nicht nur Postkarten, sondern projiziert sie allgemein ersichtlich.

Die Preisgestaltung der KiTa-Dienstleistungen ist dann auch an der folgenden Allmende-Sitzung Thema. Gustav rechtfertigt den hohen Preis, die KiTa würde mit Tamara zusammen geführt, damit sei auch gleich noch Yoga für die Kinder enthalten: «14 Q für die Betreuung und 6 Q fürs Yoga». Und die Differenz zum Tiefpreisangebot des Blumenladens sei noch weit weg von 1:12. Schallendes Gelächter bricht aus.

Doch Preisgestaltungen werfen weitere Fragen auf. Ob denn nicht feste Preise geltend gemacht werden können, fragte ein Mitspielerin und ergänzt: «Preisverhandlungen fallen mir schwer». Das wäre ebenfalls so, wenn sie im realen Leben für ihre Dienstleistungen einen Preis aushandeln müsste.

Tamara, Gudrun und Gustav sind drei von etlichen Rollen im Quartierwährungs-Spiel von Flexonomix, in die knapp 20 Interessierte geschlüpft sind. Sie haben im Gemeinschaftsraum der Genossenschaft Karthago in Zürich einen intensiven Nachmittag lang ausprobiert, was passieren könnte, wenn es ein neues Geld geben würde. Und sie waren beeindruckt, wie mit den Q‘s plötzlich mehr Leben ins Quartier einkehrt.

Neben einem einmaligen Grundstock von 50 Q pro Person als Startgeld, wird leistungsbasiertes Geld in Umlauf gesetzt: Die Allmende-Kommission – bestehend aus zwei bis drei Mitspielern – nimmt an den Allmende-Versammlungen die Bedürfnisse des Quartiers auf: etwa Treppenhausreinigungen oder Organisation von Quartierfesten. Die Kommission kalkuliert den Aufwand – im Schnitt 10 Q pro geleistete Stunde – und vergibt die Jobs; und damit das entsprechende Q-Geld.

So kommt neben den Grundstock zusätzliches Geld in Umlauf. Und das fördert die Kreativität der Quartierbewohnerinnen bzw. Mitspieler enorm: Da werden schon mal Einkäufe für Nachbarn erledigt, Alte gepflegt oder etwa eine Sonnenuhr verkauft. Alles natürlich nur simuliert.

Nach einem Spieldurchgang, am Monatsende, bezahlen alle ihre Taxe. Zusammengerechnet ist es genau der Betrag, den die Allmende-Kommission für die Jobs ausgeschüttet hat. So kann keine Finanzblase entstehen – und die notwendigen Arbeiten für das Gemeinwesen werden erst noch eher erledigt.

Über die Stränge kann niemand schlagen, denn das liebe Geld ist nicht geschenkt. So musste Robin kurz vor Monatsende noch eine Fussmassage anbieten, um die Taxe überhaupt bezahlen zu können. Doch auch ein ausgeprägter Spartrieb sollte in diesem System überwunden werden, wird in der Diskussion klar, sonst funktioniert es nicht.

Die Bioladenbetreiberin Gudrun erreichte ein ausgeglichenes Ergebnis. Wohl ist sie nach dem Bezahlen der Taxe ebenfalls etwas im Minus, sie hat dafür Produkte wie Quittenkonfitüre von Robin an Lager, die sie im nächsten Monat verkaufen dürfte. Die Gewinne, die sie im Laden erwirtschaftete, nutzte sie privat, indem sie sich auch mal eine Yogastunde gönnte. Und sie vertraute ihr Kind dem Betreuungsangebot des Blumenladens an; da dies sehr günstig gewesen sei. «Doch das Kind ist noch nicht zurück», entfährt es ihr. Kein Tragödie, sondern ein weiterer Anlass für Gelächter. Die Simulation verbreitet nicht nur gute Laune, sie zeigt auch auf, wie lokale Währungen Sinn machen und soziale Energie erzeugen können.